Häufig werden Geschichten erzählt, wie eine geniale Autorin ihr Manuskript bei einer Vielzahl von Verlagen einreicht und keiner der LektorInnen in der Lage ist, die Qualität des Textes zu erkennen. So soll es bei einem späteren Weltbestseller gewesen sein. Eine schöne Geschichte. Nur, sie entspricht nicht dem Alltag im Verlag.
Selbstverständlich erreichen ein Verlagshaus immer wieder unterschiedlichste Manuskripte. Wenn er nun gar Schmetterling Verlag heißt, sind dies mitunter Werke mit dem Titel «Das Pfauenauge und seine vegane Ernährung» oder «Wie ich Schmetterlinge durch den Winter bringe». Hier wäre es für die hoffnungsvollen AutorInnen hilfreich gewesen, sich etwas über das Programm des Verlages kundig gemacht zu haben. Denn unser Name bezieht sich nicht auf eine Schmetterlingszucht o.ä., sondern entstammt der Chaostheorie, in der es einen «Schmetterlingseffekt» gibt. Aber das ist eine andere Geschichte.
Ein Verlag wird auf unverlangt eingesandte Manuskripte eher reagieren, wenn der Eindruck entsteht: Hier hat sich jemand mit seinem Programm auseinandergesetzt und das Werk wird gezielt eingereicht, vielleicht mit einer konkreten Anrede eines Mitarbeiters und nicht mit einem «An alle Verlage». Hilfreich ist bei der Verlagssuche immer ein Exposé, das beinhaltet, warum einE AutorIn ein Interesse hat, genau bei diesem Verlag zu veröffentlichen. Ebenso hilft es zu erfahren, wie für das Buchprojekt die Konkurrenzsituation am Markt eingeschätzt wird, warum gerade dieses Buch einmalig sein wird, wie der Seitenumfang des Manuskriptes sein könnte. Zudem ist ein kurze Inhaltsangabe von etwa zwei Seiten gut. Auch eine aussagekräftige Leseprobe von nicht mehr als zwanzig Seiten würde den Verlag interessieren. Als Türöffner wirken auch eine Kurzvita zur Person und eine eventuelle Auflistung früherer Veröffenlichungen sowie ein Link zu einer eigenen Homepage.
Aber die meisten Manuskripte erreichen den Verlag auf anderen Kanälen. Da sind vor allem die StammautorInnen, die neue Projekte oder Ideen vorschlagen oder vom Verlag gefragt werden, ob sie nicht etwas zu diesem oder jenem Thema verfassen wollen. Ein anderer zielgerichteter Weg ist die Projektentwicklung: Der Verlag entdeckt ein neues Thema, erstellt dazu selbst ein Exposé und macht sich auf die Suche nach AutorInnen. Diese kann vielfältig sein; wie sie genau abläuft, wollen wir mal als kleines Betriebsgeheimnis stehen lassen. Die Projektentwicklung ist jedoch zeitaufwendig, denn anders als bei einer Auswahl aus eingereichten fertigen Manuskripten ist hier noch nichts geschrieben und die AutorInnen machen sich erst frisch ans Werk, und das kann dauern (bei unserem Rekordhalter «Westlicher Marxismus» waren es 13 Jahre – kein Wunder, dass es auch unser umfangreichstes Buch wurde).
Natürlich zählen Übersetzungen aus anderen Sprachen auch zu den Standardwegen, auf denen ein Verlag an ein Manuskript kommt. Jedoch bringen Übertragungen aus anderen Sprachen meist Übersetzungskosten mit sich, die an jene des Drucks heranreichen und somit dazu neigen, den Buchpreis ins Unermessliche zu treiben (siehe auch den Artikel «Wie ein Ladenpreis entsteht»). Übersetzungen sind daher oft nur bei sehr hohen Auflagen oder mit einem eingeworbenen Zuschuss realisierbar.
Bei Übersetzungen, aber nicht nur bei diesen, spielen LiteraturagentInnen oft eine vermittelnde Rolle. Diese kennen sich in einem fremdsprachigen Buchmarkt aus, wissen, zu welchem bespielsweise englischsprachigen Verlag ein Manuskript passen könnte, und stellen die Kontakte her.
Erwähnt werden soll noch, dass es auch schon VerlegerInnen gab, die ihre Bücher selbst geschrieben, oder AutorInnen, die ihre Bücher selbst verlegt haben. Davon aber ein andermal.