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Kritische Arbeitssoziologie

Ein Abriss
Reihe: theorie.org
Buch kartoniert, 192 Seiten
2. Auflage 2015
ISBN: 978-3-89657-658-3

15,00 

Lieferzeit: 3–4 Tage

Der Band «Kritische Arbeitssoziologie» stellt die theoretischen Zusammenhänge und internationalen Verknüpfungen wieder her. Er stellt die wichtigsten Begriffe in ihren soziologischen/historischen Rahmen, ohne dabei die außeruniversitären Bewegungen zu vergessen.
In Europa ist die Arbeitssoziologie als eigenständige Wissenschaft und Theorie in der Zeit der Befreiung von Naziherrschaft und Faschismus entstanden, zu einem Zeitpunkt als die Kritik der kapitalistischen Gesellschaftsstrukturen bis weit in die gesellschaftliche Mitte hereinreichte. So entsteht eine Strömung, die Fragen der Arbeiterbewegung in die Universitäten hereinträgt. Die technische Automatisierung, die Entfremdungserscheinungen im Produktionsprozess, die Kritik an Fachidiotentum, betrieblicher und staatlicher Bevormundung und die Perspektive der Freizeit werden so von Pierre Naville und Georges Friedmann in offizielle Forschungsprogramme umgemünzt.
Nach dem Pariser Mai 68 erhält diese Strömung in ganz Europa neuen Auftrieb und Impulse, mit der Kritik an bürokratischen Massenorganisationen, an der Konsumgesellschaft und an patriarchalischen Strukturen im Betrieb sowie innerhalb der Arbeiterklasse, die sich ihrerseits rasch verändert. Die theoretische Auseinandersetzung mit dem Parteimarxismus verbindet sich hier mit libertären Einflüssen in der Infragestellung der Arbeitsnormen. Nun treten die Analyse informeller Widerstandsformen in den Vordergrund, im Zeichen wilder Streiks, sozialer Bewegungen außerhalb der Industriebetriebe, vermittelt mit Bildungsfragen (Schulen, Universitäten, Berufsausbildung, Gewerkschaftsbildung) und ökologischen Themen.
Nach der neoliberalen Hegemonie der 80er, die Kritik an der Lohnarbeit prinzipiell verdrängt hat, bricht mit der französischen Streikwelle von 1995 eine neue Forschungsgeneration auf, die sich u.a. mit Prekarität, Flexibilisierung, workfare und Globalisierung auseinandersetzt und dabei an Autoren wie André Gorz, Pierre Bourdieu, Toni Negri und Luc Boltanski abarbeitet.

Medienstimmen

Thema und Problemkreis, die unmittelbar die Lebenswelten von Schülern und Lehrkräften betreffen, werden in der Bildungsarbeit fast immer sträflich vernachlässigt. Hier wird ein Zugang angeboten, der besonders in Philosophiearfbeitsgemeinschaften reichlich Material für eine intensive Beschäftigung ausbreitet. Martin Geisz, Bildungsserver Hessen Alexander Neumann gelingt zweierlei mit seinem lesenswerten, einführenden Büchlein: Am Beispiel der kritischen Arbeitssoziologie; die «gesellschaftliche Organisationsprinzipien des globalen Kapitalismus begreift, aber nicht begleitet»; demonstriert er das Potenzial der Kritischen Theorie als Grundlage der Analyse von Lohnarbeit und anderer Arbeitsformen im gegenwärtigen Kapitalismus; und er skizziert vor diesem Hintergrund die Entwicklungslinien kritischer Ansätze der Arbeitsforschung in Frankreich seit der Befreiung von der Naziherrschaft.
Stefan Kerber-Clasen in «analyse und kritik», 19.11.2010

Das Buch ist Ergebnis der Auseinandersetzung Neumanns mit den Traditionen und Entwicklungen kritischer, insbesondere undogmatisch-marxistischer Arbeitssoziologie. Besonders interessant ist dabei aus deutscher Perspektive, dass französische Ansätze fokussiert und in ihrer jeweiligen Beziehung zueinander aufbereitet werden […] Neumann hat dabei den Vorteil, die Diskussionen im Zentrum Frankreichs rezipieren zu können. Studium, Promotion und Forschung an verschiedenen Pariser Universitäten vermitteln den Leserinnen und Lesern eine Vertrautheit nicht nur mit den thematischen Diskussionen, sondern auch mit den zahlreichen Spezifika des intellektuellen und politischen Feldes Frankreichs, die untrennbar mit der Entwicklung kritischer Forschung verbunden sind […] Abgerundet wird der historische Abriss der Entwicklung der Arbeitssoziologie durch einen Exkurs zu parallel verlaufenden gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen, in dem Neumann versucht, «Französische Zustände heute» zu skizzieren.
Stefan Kerber in ARBEIT, Heft 1/2011, Ed. Lucius & Lucius

Dabei wählt Neumann einen sehr attraktiven Zugang. Sein zehnjähriger Aufenthalt in Paris von 1999 bis 2009 […] hat es ihm ermöglicht, mit führenden französischen (Arbeits-) Soziologen wie Jean-Marie Vincent, Pierre Bourdieu, André Gorz, Toni Negri, Robert Castel in persönlichen Kontakt zu treten […] Zudem wurde es dadurch möglich, Kenntnisse und Innenansichten der geschichtlichen Entwicklung der französischen Arbeiterbewegung sowie der «französischen Zustände», wie Neumann sich auszudrücken pflegt, zu erlangen. Dabei ist es ein Anliegen des Autors und auch ein großer Vorzug des Buches, diese beiden Stränge miteinander in Verbindung zu bringen und begriffliche Debatten an die soziale und politische Situation rückzukoppeln […] Das Buch von Neumann kann als gelungener Versuch gewertet werden, eine solche intellektuelle Auseinandersetzung anzuregen.
Sigrid Kroismayr in SWS Rundschau, Sozialwissenschaftliche Studien Heft 1/2011

Generell kann festgehalten werden, dass das Buch im breiten Feld der Arbeitssoziologie einen guten Überblick über, sowie eine wichtige Einführung in die zentralen Theorien bietet […] Besonders für den österreichischen Kontext ist es sehr wertvoll, da sich hiermit eine Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit der Kritischen Theorie eröffnet, die sich erfrischend von der gängigen Debatte abhebt, welche in einem falschen Verständnis des Fetischbegriffs verhaftet zu sein scheint. Mario Becksteiner in Perspektiven. Magazin für Linke Theorie und Praxis Nr. 12 Das eher akademische Buch bietet eine lebhafte Synthese der Entwicklung der französischen Arbeitssoziologie. Die grundlegende Hypothese ist hier, dass die «erste» Frankfurter Schule (welche die strukturelle Transformation der kapitalistischen Ökonomie und die psychologischen Problemstellungen Fromms oder Adornos aufnimmt) und der entsprechende Marxismus (als «politische Ökonomie der Arbeitskraft» dixit Oskar Negt, S.107) auf diesem Feld besonders gut gedeihen konnten. Vor diesem Hintergrund analysiert der Autor die Fortentwicklung dieser Soziologie. Bemerkenswert sind insbesondere die starken Seiten über P.Naville, G. Friedmann, A. Gorz, J-M Vincent, sowie seine kritischen Ausführungen über A.Touraine oder P.Bourdieu. Das Buch, welches vom französischen Fall ausgeht, endet mit einem Ausblick auf die aktuellen Wirtschaftskrisen und begreift diese als Gelegenheit, die Gesellschaftskritik durch die Wiederentdeckung der Arbeitswelt zu erneuern.
Prof. Stéphane Haber in Actuel Marx, No. 49

Alexander Neumann unternimmt den mutigen Versuch, das Erbe der Frankfurter Schule hochzuhalten und es am Beispiel der französischen Arbeitssoziologie fruchtbar zu machen. Er führt uns eine ‹Theorie in Aktion› vor, einen «Seiltanz zwischen geschichtlicher Entwicklung und begrifflicher Debatte» (20). Die Kritische Theorie ist bei diesem Unterfangen nicht nur ein methodischer Orientierungsleitfaden, sondern sie ist gleichermaßen der verdeckte Gegenstand der Untersuchung. Neumann sieht sie nämlich in der französischen Arbeitssoziologie viel mehr ‹aufbewahrt› als etwa in der deutschen Industriesoziologie. Das Anregungspotential der Kritischen Theorie bestehe in der produktiven Kombination verschiedener Theorieelemente. Von Marx bezieht sie die Einsicht in den Warenfetisch – den «Pinocchio des Kapitalismus» –, die abstrakte Arbeit und die reelle Subsumtion, von Weber die Herleitung der Arbeitsmoral (vgl. 34 ff) und von Freud die Entdeckung der Triebregungen im individuellen und gesellschaftlichen Leben. Der Autor schlussfolgert, dass mit dieser Theoriearchitektur die Verengung der Perspektive der Arbeitssoziologie auf die industrielle Produktion (Produktionsmodell) ebenso vermieden werden könne wie die Reduzierung der lebendigen Arbeitskraft auf das variable Kapital. Die Kritische Theorie beuge der Verdinglichung der Kritik vor: dem Determinismus, dem Ableitungsmarxismus, der Teleologie, der Auslöschung von Subjektivität. Sein Credo, seine Deutung des ‹Frankfurter Mehrwerts›, lautet: «Widerstände gegen den Kapitalismus speisen sich ..aus moralischen und kulturellen Ansichten, aus Vorstellungen von Gerechtigkeit oder gutem Leben, die außerhalb der Warenzirkulation liegen….Es ist nicht das Kapital an sich, das diese Widerständigkeit spontan erzeugt.» (166).
Josef Reindl in Das Argument, Heft 292, Juli 2011

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